Wieheister

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 CU Heines

 

 

Studio 206_ The 21st Century Fox Den_Wroclaw_Wieheister

‘Wieheister’ ist ein Wanderwort mit deutschem Ursprung und bezeichnet im Polnischen alle Dinge, für die es keinen klaren eigenen Begriff gibt. Das ‘wie heist er?’ ist eine Frage. Die Antwort ist eine Einordnung und ein Bannen des Schrecken ein „Le nom du pére“, ein Benennen des Vaters. Lacans Kunstgriff vom ‘Namen’ zum ‘Nein’ (le non) befreit den Menschen vom Schrecken durch das Benennen des Schreckens. So wie im Märchen vom Rumpelstilzchen sich die Macht des Beim-Namen-Nennens deutlich zeigt. Alles was die Königstochter tun muss, ist ihn (das Rumpelstilzchen) beim Namen nennen. Der kleine Dämon zerreißt sich vor Wut: „Das hat dir der Teufel gesagt!“

Wieheister ist eine drei Personen Improvisation, die sich auf polnischen Künstler und Aktivisten Waldemar ‚Major’ Fydrych und den SA Mann Edmund Heines bezieht. Beide waren ‚Kommandeure der Festung Breslau’, der eine als politisch-künstlerischer Aktivist, der andere als NS Verbrecher, der Polizeichef von Breslau war, bis er in einem Zimmer der Pension Hanselbauer gemeinsam mit seinem Liebhaber von einem SS Kommando erschossen wurde. Heines und Fydrych sollen dabei keineswegs portraitiert werden, sondern dienen als Protagonisten des sesshaften Patriarchats. Fydrych ist der Stańczyk, der Narr; er steht für dionysische Anarchie und den Märchenzwerg. Heines steht für ‘Manneszucht’ und Männerliebe, und für die rohe Gewalt, die als Gegengewalt entsteht; so wie der Soldat des I. Weltkriegs, der im Krieg Macht ausüben darf und als Herrscher über Leben und Tod im Männerbund sein Glück und Sinnstiftung findet, sich als Veteran in der Zivilgesellschaft nicht der Gewalt und Fremdbestimmung der Fabrikdisziplin unterwerfen will und kann.

Studio 206 ist eine improv-basierte Performance Gruppe[1], die mit Objekten und Artefakten narrative Räume entwickelt. In Wieheister arbeiten wir mit aleatorischen Prozessen, die es ermöglichen, Geschichte zu überarbeiten und zu spekulieren. Der Pavillon in Wroclaw dient so als topologischer Erzählraum. Dabei verschmelzen Geschichte und Figur mit Märchen und Mythos. Wieheister ist in acht Stationen vorstrukturiert, im übrigen improvisiert:

  1. Schneewittchen und der Zwerg
  2. Die Ausgeburt
  3. Das Abendmahl
  4. Büro mit Schreibmaschine: Listen und Gerüchte
  5. Die Zugreise nach Lubiewo[2]
  6. Die Vermählung mit dem Meer[3]
  7. Die Schlacht um Breslau
  8. Zwerg und Wolf

Die Spieler kommunizieren nonverbal: mit Handlung, Sprechblasen und Texten, die (auch) von den Zuschauern hinzugefügt werden können, in dem sie Worte, Bilder oder Sätze auf Ballons dem Spielraum hinzufügen. Die Zuschauer, als Beobachter des Menschenzoos im Glashaus, sind also wesentlicher Bestandteil der Performance. Das Spiel sucht bewusst das Cartoonhafte und Absurde in der Geschichte, nicht um das Grausame zu verharmlosen, sondern um es sichtbar zu machen.

[1] http://hooplay.net/studio-206/

[2] “Lubiewo ist ein Ort, der zugleich existiere und nicht existiere”, Michal Witkowski.

[3] Die symbolische Besitzergreifung der Ostsee durch die polnische Armee: „Wir heiraten dich, Meer, zum Zeichen unserer wahren und beständigen Herrschaft.“